Zweifache Hölle, doppelte Stärke: Tsutomu Yamaguchi überlebte Hiroshima und Nagasaki – und kehrte einfach zur Arbeit zurück
Der junge Mitsubishi-Ingenieur Tsutomu Yamaguchi war verheiratet, Vater eines Sohnes und arbeitete fest bei Mitsubishi. Am 6. August 1945 explodierte die Atombombe über Hiroshima; innerhalb weniger Tage starben dort rund 80.000 Menschen. Zwei Tage später traf Nagasaki dieselbe Katastrophe, und weitere etwa 60.000 Menschen verloren ihr Leben. Yamaguchi überlebte beide Bomben – schwer verwundet, doch am Leben – und kehrte schon am nächsten Tag zur Arbeit zurück. Später wurde er offiziell als Hibakusha anerkannt – zweimal überlebt.
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Hiroshima, 6. August 1945: Der Tag, der alles veränderte
Der Morgen in Hiroshima begann wie jeder andere. Um 8:15 Uhr zog der Donner eines B-29 den Himmel auf. Die Bombe namens „Little Boy“ trat aus dem Flugzeug und verwandelte die Stadt in Feuer, Staub und Schrecken. Yamaguchi sah, wie sich etwas Großes aus der Luke löste; zunächst glaubte er an einen Fallschirmspringer, doch die Wahrheit war schlimmer: Die Druckwelle riss Gebäude mit sich, Hitze brannte die Haut, und er selbst stürzte in eine nahegelegene Grube. Als er zu sich kam, war sein Körper verbrannt, seine Hände blutig, Sehvermögen und Gehör waren stark beeinträchtigt. Am nächsten Morgen, noch benommen, machte er sich auf den Weg zum Bahnhof, kaufte ein Ticket und fuhr nach Hause. Eine Frau mit einem winzigen Bündel setzte sich neben ihn; er blickte hin und sah statt eines Babys einen verbrannten, form- und sinnlos gewordenen Klumpen. Dieses Bild begleitete ihn sein Leben lang.
Nagaski: Die Fortsetzung des Albtraums
Der Zug fuhr weiter nach Nagasaki. Am Bahnsteig starrten erschöpfte und vernarbte Passagiere und neugierige Menschen auf ihn. Yamaguchi versuchte zu erklären, dass Hiroshima durch eine einzige, tödliche Waffe ausradiert wurde; doch die Leute glaubten ihm kaum. In der Klinik wurden seine Wunden sorgfältig verbunden, doch er durfte den Schock nicht loslassen. Schon wenig später musste er sich wieder in den Alltag begeben und kehrte zur Arbeit bei Mitsubishi zurück, fest entschlossen, seine Pflichten zu erfüllen. Aber auch hier kam die nächste Prüfung: In einem offenen Büro erhellte eine neue Blitzlichtfront die Halle; er wurde zu Boden geschleudert, doch die Struktur blieb intakt. Nagasaki verzeichnete ähnliche, wenn auch andere Zahlen: rund 60.000 Tote. Die Familie blieb unverletzt. Für Yamaguchi begann eine stille Bilanz eines Mannes, der das Unfassbare ertragen hatte.
Alltag nach dem Unglück: Zurück zum Leben, trotz Strahlung
Im Laufe der Jahre vermied Yamaguchi lange Zeit das Gespräch über die Bomben. Doch im hohen Alter, über 80 Jahre, begann er, seine Geschichte zu erzählen. Er schrieb Memoiren, trat in Dokumentarfilmen auf und wurde so zum Zeugnis einer erschütternden Epoche. Sein Sohn Toshiko erinnert sich: „Er sah erstaunlich gut aus, ganz anders als jemand, der zwei Atomangriffe überlebt hat.“ Er hielt an seiner Arbeit fest, mied öffentliche Hilfsaktionen und suchte normal zu leben – doch die Erinnerung blieb, wie eine ständige Mahnung.
Vermächtnis eines Hibakusha: Memoiren, UNO-Rede und offizielle Anerkennung
In den späten Jahren schrieb Yamaguchi Memoiren und trat in Dokumentarfilmen auf, die sich mit den Tragödien von Hiroshima und Nagasaki befassen. 2006 sprach er vor einer Delegation der Vereinten Nationen in New York und forderte den vollständigen Verzicht auf Atomwaffen. 2009 wurde er offiziell als zweimal Überlebender anerkannt – ein Schritt, der ihn in die Geschichte der Hibakusha aufnahm. Im Alter von 93 Jahren erhielt er das Zertifikat, das ihn offiziell als Hibakusha ausweist; kurz darauf starb er. Sein Vermächtnis bleibt jedoch als Mahnung: Wer die Wunde überlebt, trägt Verantwortung, Frieden zu bewahren.