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Karōshi: Warum so viele Japaner am Arbeitsplatz sterben – fast 2.000 Todesfälle bis 2020, darunter Suizide durch Überarbeitung

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Karōshi – ein Phänomen, das die japanische Arbeitswelt seit Jahrzehnten erschüttert. Bis 2020 wurden fast 2.000 Todesfälle registriert, die auf Überarbeitung, extremer Belastung und Stress zurückgehen. Die Dunkelheit dieser Statistik umfasst nicht nur körperliche Ursachen wie Schlaganfall oder Herzstillstand, sondern auch Suizide, die aus unerträglichen Arbeitsbedingungen resultieren. Am 23. November, dem Tag der Dankbarkeit für die Arbeit, feiert Japan normalerweise die Wertschätzung der Kollegen. 2019 jedoch erlebte das Land eine ungewöhnliche Zeremonie: 300 Laternen wurden in den Himmel gestartet, jede symbolisiert einen ungenutzten Urlaubstag. Eine Frau musste den Geburtstag ihrer Tochter wegen der Arbeit um ein halbes Jahr verschieben. Der Kreativdirektor von Ningen Inc. erklärte: Die Botschaft der Aktion ist einfach – was würdest du mit dem Urlaub tun, den du dir selbst verweigerst? Diese Geschichte eröffnet eine düstere Perspektive auf eine Kultur, in der der Preis des Karriereerfolgs oft das Leben kostet.

Karōshi: Warum so viele Japaner am Arbeitsplatz sterben – fast 2.000 Todesfälle bis 2020, darunter Suizide durch Überarbeitung

Historische Wurzeln der japanischen Arbeitskultur

Nach dem Zweiten Weltkrieg stand Japan vor Trümmern. Der Wiederaufbau schien untrennbar mit harter Arbeit verbunden zu sein. Das sogenannte japanische Wirtschaftswunder war kein Wunder, sondern das Ergebnis strenger Disziplin, enormer Belastung und eines weit verbreiteten Pflichtgefühls. In der Mitte des 20. Jahrhunderts wurde das Konzept der lebenslangen Anstellung etabliert, oft unterstützt von Politikern wie Premierminister Shigeru Yoshida. Loyalität gegenüber dem Unternehmen wurde zur wichtigsten Währung – und Überstunden galten als Zeichen von Professionalität. Aus dieser Dynamik entwickelte sich eine Norm, nach der der Arbeitsplatz den Sinn des Lebens zu bestimmen schien.

Historische Wurzeln der japanischen Arbeitskultur

Fall Matsuri Takahashi und der dramatische Anstieg der Karōshi-Fälle

1969 gab es den ersten dokumentierten Tod durch Überarbeitung: Ein Mann starb an einem Schlaganfall im Büro. Von da an wuchs die Zahl ähnlicher Tragödien, bis der Begriff Karōshi als Sammelbegriff für Todesursachen durch Stress – inklusive Suiziden – entstand. 2011 wurden fast 2.700 Suizide im Zusammenhang mit beruflichen Belastungen erfasst. 2015 zeigte Studien, dass die Mehrheit der Karōshi-Opfer mehr als 80 Überstunden pro Monat leistete; unter denjenigen, die ihr Leben beendeten, lag dieser Wert oft bei 100 Stunden. Ein japanischer Ingenieur erzählte, dass er 2019 nur zwei Urlaubstage nehmen konnte, obwohl ihm 20 Tage zustehen sollten – lange Urlaubstage gelten in Japan als Zeichen von Schwäche. Der Fall Matsuri Takahashi, die 2015 nach 108 Überstunden in acht Monaten starb, erschütterte das Land. In sozialen Netzwerken berichtete sie von ihrem Elend und der Erschöpfung. Die Drohung dieses Systems zeigte sich auch im Unternehmen Dentsu: Bereits 1991 hatte ein Mitarbeiter Selbstmord ergriffen; der Fall führte zu Reformen, doch echte Veränderungen blieben aus. Tadashi Ishii, der Präsident des Unternehmens, trat zurück und erklärte, dass die Kultur der Überarbeitung zerstörerisch sei und ausgerottet werden müsse.

Fall Matsuri Takahashi und der dramatische Anstieg der Karōshi-Fälle

Gesetzliche Reformen und ihre Grenzen

2018 reagierte die japanische Regierung mit einem Gesetz zur Arbeitsreform: Arbeitgeber sollten Überstunden streng kontrollieren, für bessere Arbeitsbedingungen sorgen und Überstunden entschädigen. In der Praxis brachten die Maßnahmen jedoch nicht die erhofften Ergebnisse: Viele Menschen arbeiten weiterhin den Großteil ihres Lebens. Kritiker wie Hiroshi Ono argumentieren, dass diese Reformen in Europa eher funktionieren würden, wo Individualismus stärker betont wird. In Japan ist die Gesellschaft stark kollektiv, was den Wandel erschwert, da Führungskräfte und Mitarbeitende oft denselben Rhythmus weiterführen. Die Frage bleibt: Wie kann eine Kultur des permanenten Arbeitens so verändert werden, dass Gesundheit und Familie wieder Priorität erhalten?

Gesetzliche Reformen und ihre Grenzen

Was wir aus dieser Geschichte lernen

Karōshi ist mehr als eine persönliche Tragödie: Es ist ein Indiz für tiefe strukturelle Probleme in Japans Arbeitswelt. Die Geschichte zeigt, wie Geschichte, Kultur und Politik miteinander verflochten sind und welchen Preis eine Gesellschaft für Produktivität zahlt. Um echte Veränderung zu erreichen, braucht es strengere Umsetzung von Arbeitsgesetzen, eine kulturelle Bereitschaft zum Umdenken – und Unternehmen, die Work-Life-Balance ernst nehmen. Die Leserinnen und Leser sollten sich fragen: Welche Kosten zahlt deine eigene Arbeitsroutine? Die Erzählung fordert dazu auf, Balance neu zu definieren, bevor weitere Leben durch Überarbeitung verloren gehen.

Was wir aus dieser Geschichte lernen