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In Tokio leben Hunderte Kinder auf der Straße – und niemand schaut hin

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Im Zentrum Tokios, in Kabuki-cho, verbirgt sich eine stille Tragödie hinter Neonlicht und Lärm: Hunderte Teenager leben auf der Straße. Sie wurden aus ihren Familien gedrängt, ohne festen Ort, an den sie gehen können. Der Tokio-Fotograf Yusuke Nagata machte diese Welt sichtbar – er suchte nicht die Distanz, sondern trat in das Milieu ein, um die Stimmen der Toyoko-Kinder zu zeigen.

In Tokio leben Hunderte Kinder auf der Straße – und niemand schaut hin

Eine zufällige Begegnung wird zur Mission: Nagatas Weg in Kabuki-cho

2019 begann Nagata in Kabuki-cho zu arbeiten, inspiriert von Young Son Wu's Buch Verlorenes Kind von Shinjuku. Sein erster Auftrag war simple Dokumentation der Lebensrealität obdachloser Familien in diesem Viertel. Mit der Zeit merkte er, dass es mehr zu erzählen gab: Geschichten hinter den Gesichtern, Kämpfe und Hoffnungen, die jeden Tag neu ausgerichtet werden. Er schlüpfte aus der stillen Beobachtung: Er gehörte fortan zur Street-Photography-Community – Teil der Szene, nicht deren Außenstehender. Die Kamera wurde zu einem Werkzeug, um echte Leben zu zeigen.

Eine zufällige Begegnung wird zur Mission: Nagatas Weg in Kabuki-cho

Wende 2020: Mehr als Fotos – Geschichten hinter den Gesichtern

Ende 2020 verschob sich sein Blick: Es geht nicht nur um das Ablichten, sondern darum, die Lebenswege der Jugendlichen sichtbar zu machen – mit Tiefe statt Klischees. Während der COVID-19-Lockdowns brachen familiäre Strukturen auf. In Japan galt das Ideal, dass Kinder bei den Eltern bleiben, bis sie erwachsen sind – der Lockdown brach dieses Bild offen sichtbar auf: Manche Eltern nahmen das Recht, ihre Kinder hinauszuwerfen. Die Teenager suchten Zuflucht in Kabuki-cho, vor dem Kino Toho. Sie tranken, schliefen in Nebenräumen und wurden dort als 'Toho-Kinder' oder 'Toyoko-Kids' bekannt – Überlebensgemeinschaften in einer Nacht, die nie ganz still wurde. Nagata blieb dabei, und mit jeder Aufnahme zeigte er die menschliche Seite hinter den Situationen – nicht determinierte Schicksale, sondern Kämpfe und Hoffnungen.

Wende 2020: Mehr als Fotos – Geschichten hinter den Gesichtern

Mandzikai – eine Zuflucht, kein bloßer Hilfskasten

Seit 2019 gibt es in Kabuki-cho die Organisation Mandzikai, die Jugendlichen auf der Straße hilft. Freiwillige verteilen warme Kleidung, Essen und Pflegeutensilien. Wichtiger als Materialien ist jedoch die Menschlichkeit: Die Helfer bleiben, wenn ein Jugendlicher schweigt; sie wenden sich nicht ab, wenn er wütend ist. Sie öffnen Räume, in denen Jugendliche Schutz vor Regen finden, sich ausruhen oder einfach still sitzen können. Für viele wird dies der erste Halt auf dem Weg aus dem Nichts.

Mandzikai – eine Zuflucht, kein bloßer Hilfskasten

Social-Media-Hype verändert Kabuki-cho – und gefährdet die Jugendlichen

TikTok und andere Plattformen machen Kabuki-cho zu einem öffentlich sichtbaren Ort. Postings über Alkohol und Kämpfe ziehen Besucher an – doch oft geht es weniger um Unterstützung als um Ruhm. Mit mehr Publikum kamen auch Menschen, die dort nichts Gutes suchten. Die Gegend, einst ein Ort der Not, wird durch Likes und Clicks zu einer Falle, in der echte Hilfe schwer zu finden ist. Nagata fordert, dass die Wahrheit über das Leben obdachloser Jugendlicher gesehen wird. Er will echte Veränderungen: Die Gesellschaft muss hinschauen und Politiker Programme zur Unterstützung dieser Kinder schaffen. Er hofft, dass seine Bilder zu einem Umdenken führen – dass Menschen nicht mehr wegsehen und die Stadt Schritte unternimmt, um eine bessere Zukunft zu gestalten.

Social-Media-Hype verändert Kabuki-cho – und gefährdet die Jugendlichen