Dieser verfluchte Stein verführt Unglückliche – Der Smaragd im Wert von einer Milliarde Dollar
„Ein so seltener Fund hat noch niemand gesehen, nicht einmal in einem internationalen Auktionshaus wie Sotheby’s. Den Stein, auf den sich dieser Bericht bezieht, schätze ich auf $925 Mio.“ So lautete die Einschätzung eines professionellen Juweliers, der den 341 Kilogramm schweren Stein offenbar mit eigenen Augen gesehen hat. Der gigantische Smaragd wurde kurz vor dem Erscheinen dieses Dokuments in den Minen im Osten Brasiliens gefunden und erhielt in dem Bundesstaat Bahia seinen Namen – Baia. Was mit ihm geschah, erinnert eher an die Handlung einer Serie über eine Gruppe unglücklicher Betrüger, die vom hereinstürmenden Reichtum geblendet wurden. Baia wurde heimlich aus dem Ursprungsland in die Vereinigten Staaten gebracht, wo er zum Objekt der Begierde von mehr als eineinhalb Dutzend Menschen und einer Nation wurde. Am Ende landete einer der größten Edelsteine seiner Art in einem Polizeisafe, und erst kürzlich schien in seinem Schicksal eine letzte Entscheidung gefallen zu sein. Wahrscheinlich. Es ist eine leicht komische Saga über den Triumph von Dummheit und Gier, die sich fast ein Vierteljahrhundert lang hinzog.
In This Article:
- Entdeckung in Bahia – Ein gigantischer 341 Kilogramm schwerer Smaragd
- Vom Rohstein zum Markt – der Weg durch Garimpeiros, Biotit und Zwischenhändler
- In den Händen der Drahtzieher – der Garage-Deal in São Paulo
- In den USA beginnt der Parallelstrang – Thomas und Conetto
- Der Garage-Deal wird Realität – und die US-Verbindung
- Der lange Weg in die Staaten – und ein Box-Label mit Bitumen
- Neue Protagonisten – Bigler, Ferrara und Morrison
- Spezialoperation – der Blick hinter die Kulissen
- Endlose Rechtsstreitigkeiten – das ‚Höllenrätsel‘
- Ausblick – der 241 Kilogramm schwere Nachfoger in Brasilien
Entdeckung in Bahia – Ein gigantischer 341 Kilogramm schwerer Smaragd
Im Jahr 1963 stolperte ein brasilianischer Bauer bei der Feldarbeit über glitzernde grüne Steine. Dem Bauern gebührt Lob: Er behielt den Fund nicht für sich, sondern übergab ihn den Behörden. Doch die Beamten waren nicht so verantwortungsbewusst. Die Nachricht über die Fundstellen von Smaragden in den inneren Regionen des Bundesstaates Bahia verbreitete sich rasch. In den Carnaíba-Bergen bildete sich sofort eine Armee von Garimpeiros — Laien-Goldgräbern — die ihr Glück suchten. Die Arbeiten gingen bis Ende der 1970er Jahre weiter, bis die Bergleute auf eine unpassierbare Quarzplatte stießen. Zehn Jahre später, gestützt auf den Erfahrungen aus Goiás, konnten sie die Quarzschicht überwinden, und die Entwicklung des Vorkommens in Bahia setzte sich fort. Wie sich zeigte, waren die Vorkommen in Bahia besonders reich an ultra-großen Steinen. Im Laufe der letzten Vierteljahrhunderts wurden dort sieben Smaragde mit einem Gewicht von mehr als hundert Kilogramm gefunden. Der Rekordhalter war der Fund zu Beginn des Jahres 2001.
Vom Rohstein zum Markt – der Weg durch Garimpeiros, Biotit und Zwischenhändler
Der Baia wog in seiner rohen Form 341 Kilogramm und ähnelte damit keinem der üblichen, geschliffenen Edelsteine. In seiner ursprünglichen Form ist es ein Mineral, eine durchsichtige Varietät von Beryll, die durch Chrom- oder Vanadiumoxid grün eingefärbt wird. In diesem Fall war Baia zusätzlich von schwarzem Biotit umgeben – ein Mineral, das oft Smaragden begleitet. Fast alle Smaragde weisen Risse und Fremdinclusions auf; je weniger dieser Defekte, desto wertvoller ist der Stein. Preisbildung hängt stark von Farbe, Saturation und Transparenz ab. Anders als beim Diamantmarkt, der von wenigen großen Produzenten dominiert wird, gibt es beim Smaragdmarkt viele kleine Akteure. Ohne die kartellmäßige Stabilisierung durch Kartelle schwanken die Preise stark: Der Stein kostet so viel, wie Käufer bereit sind zu zahlen. Die brasilianischen Steine wurden früher oft als minderwertig gegenüber kolumbianischen oder sambischen Steinen eingestuft, was den Handel mit besonders großen Exemplaren zusätzlich erschwerte. Am Ende zählte jeder Geschäftsmakt, und der Markt zog verschiedenste Betrüger an.
In den Händen der Drahtzieher – der Garage-Deal in São Paulo
Die Dimensionsgröße des Steins schockierte die Schöpfer des Fundes, doch gewöhnliche Garimpeiros wussten nicht, wie man so einen Stein von Biotit trennt oder auf Defekte prüft. Deshalb beschlossen die brasilianischen Bauern, Baia schnell loszuwerden: Sie boten ihn hier und sofort für nur $5.000 an. Danach wechselte der Smaragd mehrfach den Besitzer, jeder verdiente an der Weiterveräußerung eine Provision. Bis Ende 2001 landete Baia schließlich in der Garage zweier São-Pauloer – Elson Ribeiro und seinem Geschäftspartner Rui Saraiva – die mit dem Handel von Smaragden ihr Einkommen verdienten. Warum in einer Garage? Ganz einfach: Der Stein war so groß wie ein kleiner Kühlschrank.
In den USA beginnt der Parallelstrang – Thomas und Conetto
Zur gleichen Zeit entwickelte sich in den USA eine parallele Geschichte. Die Protagonisten waren Tony Thomas, ein erfolgreicher Bauunternehmer, dem der IT-Start-up-Boom nicht das erhoffte Glück brachte, und Ken Conetto, der ständig mit neuen, genialen Ideen auf Geldgeber wartete. Zusammen entwickelten sie eine riskante, scheinbar ehrliche Strategie zur persönlichen Bereicherung. Conetto schlug vor, mit Thomas nach Brasilien zu reisen und dort auf dem Schwarzmarkt geschliffene Smaragde zu kaufen, deren reale Wertigkeit $25 Mio. betrug. Gegen Pfand dieser Steine wollten sie einen Kredite bekommen, um das Geld in einen hochrentablen Fonds zu investieren. Den Ertrag plante Thomas in sein Start-up zu stecken, Ken dagegen in die eigene Tasche. So kamen sie mit Ribeiro und Saraiva zusammen.
Der Garage-Deal wird Realität – und die US-Verbindung
Nichts davon existierte wirklich. Baia lag in der Garage, und die Brasilianer ließen sie für $60.000 gehen. Die lokale Begutachtung bestätigte später die schockierende Einschätzung: Der Stein könnte $925 Mio. wert sein. Conetto war davon fasziniert – „Er sah aus, als hätte er Ali–Babas Schätze gefunden“, schilderte ein Zeuge später vor Gericht. Nach der Rückkehr in die USA überwiesen der Bauunternehmer Thomas und Conetto den Brasilianern umgehend $60.000, und Conetto übernahm die Organisation der Schmuggel-Operation in die USA.
Der lange Weg in die Staaten – und ein Box-Label mit Bitumen
Noch beeindruckender als die Größe des Steins war die Naivität der Beteiligten. Thomas wartete vergeblich auf sein Stück Schatz. Ken Conetto behauptete, der Stein sei während des Transports gestohlen worden, obwohl er die ganze Zeit über in einem Safe in São Paulo lag und brasilianische Drahtzieher sowie ihr US-Verbindungspartner versuchten, Kredite darauf zu sichern. 2005 entschied Conetto schließlich, Baia in die USA zu transportieren. In den Begleitdokumenten war der Kasten mit dem Stein als Fracht „natürliches Bitumen“ mit einem angegebenen Wert von $100 gelistet. Die Zollbehörden – sowohl brasilianische als auch amerikanische – stellten keine Fragen. In den USA wanderte der Smaragd von Lager zu Lager und landete sogar in der Lagerhalle einer Bank in New Orleans – just in dem Moment, als der Hurrikan Katrina über die Stadt zog. Mehrere Wochen befand sich Baia unter Wasser. Nachdem er zurückgegeben worden war, begann Conetto erneut, einen Käufer zu finden.
Neue Protagonisten – Bigler, Ferrara und Morrison
Auf diesem Abschnitt treten neue Figuren in Erscheinung. Als erster taucht Larry Bigler auf – ein zufälliger Bekannter von Conetto, der sich als wohlhabender, erfolgreicher Gentleman ausgab. In Wahrheit führte er eine kleine Sanitärfirma mit schlechter Reputation. Conetto erkannte das viel später, doch er nutzte die Gelegenheit. Bigler überzeugte den Besitzer von Baia, ihm die Verkaufsrechte zu übertragen und versprach, die Einnahmen zu teilen. Ein New Yorker Edelstein-Händler, den Bigler kannte, sollte den Verkauf abwickeln, doch er traute sich nicht an den Preis heran und setzte Baia zunächst auf einem Online-Auktionsportal namens eBay mit einer Startgebot von 19 Mio. USD an. Es gab tatsächlich eine Gebot – jedoch war der Betrag nicht hoch genug, um dem im Kopf anhaltenden Wert von $925 Mio. zu entsprechen. Frustriert von diesem Händler, suchte Bigler nach einem neuen Käufer und stieß auf Jerry Ferrara aus Florida. Ferrara hatte Schulden in Höhe von $1,3 Mio. bei einem wohlhabenden Einwohner Idahos, Keith Morrison, und schlug vor, Baia durch den Tausch gegen Diamanten zu ersetzen oder Morrison zu einer Zahlung zu bewegen.
Spezialoperation – der Blick hinter die Kulissen
Später sagte Jerry Ferrara in einem Interview mit Wired, dass es viele wohlhabende Käufer gab, darunter arabische Scheichs und der Milliardär Bernie Madoff. Der Finanzier Madoff sei sogar bereit gewesen, „$91 Mio. in Diamanten, $21 Mio. in Bargeld und $15 Mio. in teuren Uhren“ zu zahlen – doch der Deal scheiterte, weil der Käufer ins Gefängnis stürzte, ein Betrüger und Anstifter einer der größten Finanz-Pyramiden der Geschichte. Im Juni 2008 verschwand Larry Bigler spurlos. Er inszenierte seinen eigenen Entführung durch die brasilianische Mafia und forderte Lösegeld. Ferrara erkannte offenbar, in welche Misere er sich hineinmanövriert hatte, und weigerte sich zu zahlen. Stattdessen nahm er Baia mit Morrison aus dem Lager. Bigler rief die Polizei. Und damit betrat die Polizei die Bühne. Diese Operation wurde zu einem echten Spezialeinsatz mit einer Sondereinheit und Hubschrauberunterstützung. Alle Beteiligten waren von den Merkmalen der Baia — „der größte Smaragd in der Geschichte“, „$925 Mio.“ — derart besessen, dass es schien, als würden sie je wieder zu ruhigem Schlaf finden.
Endlose Rechtsstreitigkeiten – das ‚Höllenrätsel‘
Die Ermittler tauften den Fall später als „Höllenrätsel“ ein. Niemand konnte den wahren Besitz des Steins eindeutig klären. Tony Thomas, Ken Conetto, Larry Bigler, Jerry Ferrara und Keith Morrison erhoben alle Ansprüche und verklagten einander. Der Stein lag zunächst in der Wache der Polizei von Los Angeles in einem Safe. 2011 entschied das Gericht, dass der Eigentümer von Baia Tony Thomas sei — der Mann, der die ersten $60.000 bezahlt hatte. Ferrara und Morrison legten Berufung ein, und ihre Koalition setzte sich fort. Doch die Nachweise über eine saubere Transaktion mit brasilianischen Händlern waren dürftig. Im Sommer 2015 gab der Bezirksgericht des District of Columbia dem Antrag Brasiliens statt und entzog Thomas‘ Anspruch. Die Brasilianer verloren nicht sofort den Stein; er blieb bis zuletzt in der Obhut der US-Behörden. Im Herbst 2015 versuchte der Korpus, sich neu zu formieren, doch niemand hatte mit dem nächsten Wendepunkt gerechnet. Im November 2024 schließlich entschied das Bezirksgericht des District of Columbia endgültig, Baia in die Heimat zurückzugeben. Doch auch ein Jahr später bleibt unklar, ob dieses Urteil wirklich das endgültige Wort bedeutet. Der Smaragd, den alle Protagonisten der Geschichte „das verfluchte“ Ding nannten, liegt weiterhin sicher unter der Obhut der Polizei von Los Angeles – und alle Beteiligten fragen sich: Wie viel ist dieses fließende Monstrum wirklich wert?
Ausblick – der 241 Kilogramm schwere Nachfoger in Brasilien
Übrigens läuft zurzeit in Brasilien ein Online-Auktionsprozess für einen weiteren Smaragd aus den Bergen von Carnaíba im Bundesstaat Bahia mit einem Gewicht von 241 Kilogramm. Die Mindestgebot beträgt $19,5 Mio., die Eigentümer rechnen mit einem Verkauf von bis zu $370 Mio. Möchten Sie mehr erfahren? Schreiben Sie in unseren Telegram-Bot. Das ist anonym und schnell. Die Weiterverbreitung des Textes und der Fotos von Onlíner ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten. ga@onliner.by