Der Magen spricht mit dem Gehirn: Eine neue Messgröße für Angst und Depression entdeckt
Eine neue, messbare Verbindung zwischen Bauch und Gehirn wird sichtbar. Die Studie zeigt, dass die Stärke der Bauch-Gehirn-Synchronisation direkt mit dem Schweregrad von Angst, Depression und Stress zusammenhängt. In der Fachzeitschrift Nature Mental Health berichten 243 Freiwillige, dass Elektrogastrographie (EGG) und fMRT im Ruhezustand miteinander verglichen wurden. Je enger der Bauchrhythmus mit der Gehirnaktivität koordiniert ist, desto stärker sind psychische Belastungen.
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Der Bauch als neues Fenster zur Psyche
Der Bauch war lange der unbeachtete Teil der Körper-Psyche. Bislang dominierten Herz und Atmung die Forschung, auch der Darm und seine Mikroben rückten ins Zentrum. Doch die Redewendung "vor Angst zieht es den Magen zusammen" war mehr als Bild: Forschung zeigt, dass Gefühle von Ekel, Angst und Stress sich im Bauch manifestieren.
Wie Bauchrhythmen mit dem Gehirn synchronisieren
Im Experiment wurden 243 Teilnehmende gleichzeitig einer Elektrogastrographie (EGG) und einer funktionellen Magnetresonanztomographie (fMRT) im Ruhezustand unterzogen. Die Probanden beantworteten anschließend detaillierte Fragebögen zu ihrer psychischen Gesundheit. Die Kernbotschaft: Je stärker die Synchronisation zwischen langsamen Magenkontraktionen und neuronaler Aktivität in fronto-parietalen Hirnregionen, desto höher die Werte für Angst, Depression und Stress.
Welche Hirnbereiche beteiligt sind
Die stärksten Bauch-Gehirn-Verbindungen fanden sich in bestimmten Regionen, darunter dem linken oberen Gyrus angularis, dem rechten hinteren Supramarginalgyrus, dem linken unteren präzentralen Gyrus, dem linken hinteren oberen Frontalgyrus und dem linken hinteren intratemporalen Sulkus. Insgesamt zeigte die Analyse, dass das dorsale Aufmerksamkeitsnetzwerk, das fronto-parietale Kontrollnetzwerk und das ventrale Aufmerksamkeitsnetzwerk stärker beteiligt sind.
Ausblick und Grenzen
Eine wichtige Schlussfolgerung: Ein gesünderer psychischer Zustand geht mit einer schwächeren Bauch-Gehirn-Verbindung einher. Die Forscher vermuten, dass bei psychischen Störungen das Interozeption-System, also die Wahrnehmung innerer Signale, gestört ist; das Gehirn hört zu stark auf den Magen, was Ängste und Stress verstärken kann. Die Studie eröffnet neue therapeutische Wege: Zukünftig könnte man die Bauchrhythmik gezielt beeinflussen – etwa durch nicht-invasive Vagusnerv-Stimulation oder passende Medikamente –, um die Verbindung zum Gehirn zu 'justieren' und Depressions- oder Angstsymptome zu mildern. Allerdings bleibt die Kausalität unklar und die Stichprobe ist begrenzt; weitere Forschung ist nötig, bevor Praxis-Veränderungen möglich sind.