Alexandria im 1. Jahrhundert: Eine antike Schale könnte das früheste außerhalb der Bibel erwähnte Jesus‑Zeugnis sein
Im Jahr 2008 wurde in den Gewässern des versunkenen Alexandrienhafens eine keramische Schale entdeckt. Der französische Unterwasserarchäologe Frank Goddio hob sie während Unterwassergrabungen im Hafengebiet, in dem seit 1992 systematisch geforscht wird. Die Schale ist gut erhalten, abgesehen von einem fehlenden Henkel, und trägt eine Inschrift in altgriechischer Schrift. Die Inschrift lautet in Großbuchstaben: DIA CHRSTOU O GOISTAIS. Ihre ungefähre Übersetzung geht in Richtungen wie „Durch Christus der Sänger“ oder „Durch Christus der Weise“. Wenn die Datierung ins erste Jahrhundert passt, könnte dies eines der frühesten Zeugnisse der Ausbreitung des Christentums außerhalb jüdischer Texte sein und zeigen, dass der Name und die Reputation Jesu bereits in den ersten Jahrzehnten nach seinem Tod im Mittelmeerraum bekannt waren.
In This Article:
Fundort und Kontext des Funde
Der Fund erfolgte im Bereich der antiken Insel Antirhodos, wo man annahm, dass der Palast Kleopatras stand. Alexandria im 1. Jahrhundert war ein multikulturelles Zentrum, in dem heidnische, jüdische und christliche Traditionen koexistierten. Diese Vielfalt spiegelt sich in den Funden wider und macht die Stadt zu einem Schlüsselort für die frühe religiöse Begegnung.
Die Inschrift – Bedeutung und erste Deutungen
Die Inschrift ist in Großbuchstaben: „DIA CHRSTOU O GOISTAIS“. Die Lesart wird als Hinweis auf eine Person namens Chrestos/Christos diskutiert, wobei die Verbindung zu Jesus noch unsicher ist. Der Neutestamentler Jeremiah Johnston deutet an, dass der Fund dem ersten Jahrhundert n. Chr. zugeordnet werden könnte — eine Zeit, die mit Jesu Leben und Kreuzigung zusammenfällt. Wenn diese Datierung oder Lesart stimmt, könnte das Artefakt zeigen, dass Jesu Leben bereits in frühen Jahren der christlichen Verbreitung im Mittelmeerraum bekannt war.
Debatten und alternative Deutungen
Oxford-Professor Bert Smith vermutet, dass der Text sich auf eine Person namens „Christos“ aus der religiösen Gruppe „Ogoistais“ bezieht, statt direkt auf Jesus. Der Leiter des Instituts für griechische Inschriften in Berlin, Klaus Hallof, teilt eine ähnliche Sicht und verweist auf antike Berichte über Gottheiten mit ähnlichen Namen. Andere Gelehrte schlagen alternative Übersetzungen vor, verbinden „chrstos“ mit Begriffen wie „gut“ oder „Gnade“ und spekulieren, dass die Schale für eine rituelle Salbung oder das Räuchern verwendet worden sein könnte.
Warum dieser Fund die Geschichte verändern könnte
Wird die Verbindung der Inschrift zu Jesus bestätigt, wäre dieses Artefakt ein wichtiges Zeugnis für die frühe Ausbreitung des Christentums in Ägypten. Es könnte helfen, Chronologie und Geografie der Glaubensausbreitung besser zu verstehen und zeigen, dass Informationen über Jesu Leben und Wunder Alexandrien bereits in den ersten Jahrzehnten nach der Kreuzigung erreicht hatten. Der Fund unterstreicht Alexandrien als kulturelles und religiöses Zentrum, in dem verschiedene Traditionen verschmolzen und frühe christliche Gemeinschaften begannen, philosophische Konzepte zu integrieren — ein zentraler Faktor für die Entwicklung des Christentums in der Region.